Es gibt sehr unterschiedliche Motivationen zur Ausübung des Reitsports. Ein Teil der Reiter begnügt sich mit der reinen (leistungs-)sportlichen Betätigung im Wettkampfsport, von diesen soll hier nicht die Rede sein. Der weit überwiegende Teil der Reiter sieht jedoch in der Arbeit mit dem Pferd weit mehr, als nur den Wettkampfzirkus und gehört der großen Gruppe der so genannten Freizeitreiter an.
Ein paar Zahlen (Stand 2016):[1]
Nach verschiedenen Schätzungen und Hochrechnungen leben in Deutschland ca. 1,3 Mio. Pferde, von denen nur etwa 24.000 als Sportpferde (Turnierpferde registriert sind. Es gibt in Deutschland ca. 900.000 Pferdebesitzer.
Etwa 3.9 Mio. Menschen bezeichnen sich selbst als Reiter, reiten also mehr oder weniger häufig. Dem so genannten ‚organisierten Sport‘, also der FN, gehören dagegen nur ca. 690.000 Mitglieder an, davon etwa die Hälfte Kinder, Jugendliche und junge Menschen (bis 26 Jahre). Nur etwa 81.000 Reiter verfügen über eine Turnierlizenz. Insgesamt wurden für einen so großen Verband erstaunlich wenige, nämlich bundesweit nur ca. 2700 Prüfungen in der Geländereiterausbildung (Reiterpass) abgenommen. Tendenz bei allen genannten Daten teils stark fallend!
Diese Zahlen zeigen deutlich, dass in der FN als größter reiterlicher Vereinigung nur knapp 18 % aller Reiter überhaupt organisiert sind und nur ca. 2,1% aller Reiter turniersportlich orientiert sind! Auch wenn sich die FN selbst als ‚Dachverband aller Reiter‘ mit einem Alleinvertretungsanspruch im DOSB präsentiert, zeigen diese Zahlen doch sehr deutlich die tatsächliche Bedeutung dieser Organisation auf. Auch die sehr geringe Anzahl von Reiterpassausbildungen zeigt (gegenüber knapp 38.800 Sportabzeichenprüfungen) sehr deutlich auf, wo die Prioritäten dieses Verbands liegen!
Etwa 2,5% der nicht in der FN organisierten Freizeitreiter sind im Fachverband der Gelände- und Wanderreiter bzw. -Fahrer, der VFD organisiert. Der weit überwiegende Teil aller Reiter (fast 80%) gehört demnach zu der Gruppe der nicht in Verbänden organisierten Freizeitreiter!
Was haben aber diese Zahlen mit der Ausbildung im Geländereiten zu tun? Bei den in den Verbänden organisierten Freizeitreitern kann man davon ausgehen, dass sie zum überwiegenden Teil mehr oder weniger intensiv für das Reiten im Gelände und im Straßenverkehr durch vielfältige Maßnahmen und Angebote (z. B. von Vorträgen über Vereinsmitteilungen bis zu Ausbildungskursen) geschult werden. Die tatsächlichen Prüfungsabschlüsse für Geländereiter sind allerdings leider bedeutend geringer.
Anders sieht es dagegen bei den nicht in den Verbänden organisierten Freizeitreitern aus. Ein gewisser Anteil dieser großen Gruppe nimmt zwar auch gelegentlich an verschiedenen Ausbildungsmaßnahmen teil, diese beziehen sich aber eher selten auf die für das ordnungsgemäße Reiten und Verhalten in Gelände und Straßenverkehr erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern eher auf Spezialgebiete der reiterlichen Ausbildung oder auch der Pferdeausbildung. Die Folge ist eine weit verbreitete Unkenntnis u.a. der gesetzlichen Bestimmungen und über das richtige Verhalten außerhalb der Reitbahn. Entsprechend viel Fehlverhalten dieser Reiter führt dann auch in der Öffentlichkeit nicht nur zu einem starken Imageverlust der Reiter insgesamt, sondern leider auch zu massiven und oftmals durchaus berechtigten Beschwerden anderer Verkehrsteilnehmer, Erholungssuchender oder Naturnutzer. In der Folge dann auch zwangsläufig zu Verschärfung der Gesetze und Verordnungen für Reiter, sowie zur unsäglichen Diskussion über die Einführung einer Pferdesteuer.
Die für Geländereiter notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten können nicht durch Sportabzeichen und Prüfungen der FN erworben werden, da sich die Ausbildungsinhalte und Ziele vorwiegend auf den Wettkampfsport und das Reiten in Bahn oder Halle beziehen. Eine gute Geländereiterausbildung, wie sie zum Beispiel im Fachverband der Gelände- und Wanderreiter, bzw. –Fahrer, der VFD, angeboten wird, vermittelt darüber hinaus im Wesentlichen ein grundlegendes Wissen über die gesetzlichen Bestimmungen für Reiter in Feld, Wald und im Straßenverkehr, dem Tier- und Naturschutz, der Maßnahmen zur Unfallverhütung, den Verhaltensregeln bei der Begegnung mit anderen Erholungssuchenden, sowie den praktischen Fertigkeiten beim Reiten in der Gruppe, bei der Bewältigung von Geländeschwierigkeiten und Hindernissen, der Orientierung im Gelände, der Ersten Hilfe für Mensch und Pferd, der Trainingslehre, sowie zur notwendigen Grundausbildung geeigneter Pferde. Solche qualifizierte Ausbildungen werden von diesem Verband flächendeckend in allen Bundesländern angeboten.
Bei der Vielzahl der nicht organisierten und nicht für das Geländereiten ausgebildeten Reiter und Pferde ist dagegen ein Fehlverhalten mit Belästigungen oder gar Gefährdungen Dritter leider heute eher an der Tagesordnung! Es ist absehbar, dass solche unbefriedigenden Verhältnisse früher oder später zwingend zu einem ‚Pferdeführerschein‘ führen werden, der dann für das Ausreiten ins Gelände erforderlich wird. Eine ähnliche Entwicklung gibt es derzeit schon beim Kutschfahren mit dem so genannten ‚Kutschenführerschein‘, auch wenn dieser durch die FN selbst initiiert wurde, um dem Druck eher zwielichtiger ‚Tierschutzorganisationen‘ entgegen zu wirken! Aber auch beim Reiten gibt es bereits erste regionale Verordnungen[2], die u.a. eine Geländereiterausbildung für die Teilnahme an Veranstaltungen (Umzügen) vorschreiben! Weitere Reglementierungen werden mit Sicherheit folgen!
Kein Gelände und Wanderreiter kann an einer solchen Entwicklung interessiert sein, auch nicht, wenn er nur gelegentlich ins Gelände reitet! Die staatliche Reglementierung für das Ausreiten, neben teilweiser kostenträchtiger Plakettenpflicht, verbunden mit bußgeldbewährten Ordnungswidrigkeitsmerkmalen ist das Letzte, was Reiter gebrauchen können, zumal in einem solchen Fall auch die Kosten solcher Ausbildungen und Prüfungen massiv ansteigen würden! Angebot und Nachfrage regeln den Preis!
‚Wer seinen Kopf in den Sand steckt, bringt seinen Hintern in eine unglückliche Position‘ …. sagt ein Sprichwort! Der einzige Weg um eine solche Entwicklung zu vermeiden besteht m.E. darin, dass die Freizeit-Geländereiter selbst die Initiative ergreifen und einer solchen Entwicklung durch gute Geländereiterausbildung, verbunden mit vorbildlichem Verhalten im Gelände und Straßenverkehr freiwillig zuvor kommen, unabhängig davon, ob sie in Verbänden organisiert sind, oder ob nicht! Noch ist es dazu nicht zu spät, aber es ist schon längst fünf vor zwölf!
[1] Quelle: FN-Jahresbericht 2016
[2] Bisher nur in Nordrhein-Westfalen